Reportage aus der Zeitschrift Stern View Mai 2008:
Angebetet und allein gelassen - Seit Jahrtausenden werden Elefanten in Südostasien vergöttert. Und immer noch leben die intelligenten Arbeitstiere eng mit den Menschen zusammen. Doch inzwischen nehmen Maschinen ihnen die Jobs weg - und bedrohen ihre Existenz.
Text: Sebastian Pittelkow
Glücklich:
Pfleger ziehen im Elefanten-Waisenhaus von Pinnawela auf Sri Lanka 80 Jungtiere groß. Wilderer haben deren Mütter getötet, oder sie wurden verstoßen. Zweimal täglich baden die Betreuer die Jungtiere ausgiebig am Fluss. Stundenlang schrubben sie mit einem spitzen Stein die drei Zentimeter dicke Haut. Frei sind die Tiere nicht: Geschlafen wird im Stall.
Gequält:
Bereits seit Tagen versuchen diese Männer vom Stamm der Karen, den Willen des Jung-Elefanten zu brechen. Um ihn zu zähmen, halten sie ihn wochenlang in einem Holzverschlag gefesselt und attackieren ihn mit Nägeln. Es ist zwar in Asien verboten, wilde Elefanten zu fangen, doch im Dschungel an der Grenze zwischen Thailand und Burma brauchen die Männer nicht zu fürchten, entdeckt zu werden.
Heillig:
Jedes Jahr im Sommer zieht ein großer Festzug durch Kandy, die alte Königsstadt Sri Lankas. Zu Ehren Buddhas tragen Hunderte mit Gold und Lichtern geschmückte Elefanten fünfzehn Tage lang Reliquien durch die Stadt. Die heiligste ist ein Zahn, der von Buddha nach seiner Verbrennung übrig geblieben sein soll.
Zutraulich:
Die sanften Riesen können zu Menschen eine enge Bindung entwickeln. Fassen sie Vertrauen sind sie ihr Leben lang treue Begleiter. Werden sie gequält, vergessen sie das nie: Ihre Peiniger müssen noch Jahre später die Rache des Tieres fürchten.
Arm:
Betteln mit Elefanten ist in Bangkoks Innenstadt verboten. Dennoch ziehen etwa 200 auf der Suche nach Almosen mit ihren Besitzern durch Thailands Hauptstadt. In einer Nacht erbetteln sie oft mehr als 20 Euro - ein Zehntel eines durchschnittlichen Monatsgehalts im Land.
Anhänglich:
Elefanten gehen als Herdentiere sehr liebevoll miteinander um. Ein Problem bekommen die Naturschützer, wenn die Tiere sich bei ihnen zu sehr zu Hause fühlen. Das Waisenhaus in Pinnawela kann die Elefanten nicht mehr auswildern, weil sie sich zu sehr an das Leben in den Ställen des Parks gewöhnt haben.
Touristen sind kaum noch auf der Straße. Längst sind sie in ihren klimatisierten Hotels geflohen. Doch den jungen Elefanten stört die Schwüle der Nacht nicht. Auf der Suche nach Essbarem zieht er durch Bangkok. Das Tier stupst mit seinem massigen Schädel die Tür zu einer Bar auf und streckt bettelnd seinen Rüssel hinein. Der junge Elefant ist geübt. Wenn der Morgen heraufdämmert, sind die Taschen auf seinem Rücken meiste gut gefüllt.
Trotz Bettelverbot sammeln in Thailands Hauptstadt 200 Elefanten Almosen. Hier haben die hungrigen Dickhäuter mehr Glück bei ihrer Nahrungssuche als in den Dschungeldörfern, aus denen sie mit ihren Mahuts hergewandert sind. Viele Elefantenführer sind mit ihren Tieren in großen Metropolen Asiens gezogen und versuchen dort, die meist unterernährten Riesen durchzufüttern.
Asiatische Elefanten dienten in den vergangen 3500 Jahren Kaisern und Maharadschas als Kriegsmaschinen und Statussysmbole. Den Bauern halfen sie als Arbeitstiere beim Roden des Dschungels und beim Hausbau. Von Indien über Thailand und Laos bis nach Malaysia wurden die Tiere wie Heilige verehrt. Trotz ihrer Größe von fast vier Metern beeindrucken Elefanten die Menschen durch ihr friedliches Wesen. So haben sie auch in den großen Religionen Asiens Spuren hinterlassen.
Einer der wichtigsten Götter im Hinduismus ist Ganesha, Stiefsohn des Götterkönigs Shiva. Nachdem Shiva versehentlich dem Sohn seiner Frau den Kopf abgeschlagen hatte, ersetzte er dessen Haupt mit einem Elefantenkopf. Auch Buddhas Mutter soll vor dessen Geburt ein weißer Elefanten erschienen sein. Daher werden die Tiere im Buddhismus als Zeichen von Weisheit und als Helfer in schwierigen Zeiten verehrt.
Weiße Elefanten - Tiere mit Pigmentstörungen - gelten noch heute als gottgleich. So besitzt Thailands amtierender König Bhumibol mindestens zehn der seltenen Tiere. Sie sollen ihm eine gute und lange Regentschaft garantieren. Und dabei sind die sehr erfolgreich: Bhumibol ist das am längsten regierende Staatsoberhaupt der Welt.
Sonst ist von der Ehrfurcht vor Elefanten heute aber nicht mehr viel geblieben. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier steckt in einer tiefen Krise. Augenfällig wird das auf dem Tiermarkt in Sonepur, dem größten Umschlagplatz für lebende Tiere in Asien. Jedes Jahr im November verkaufen hier im Nordwesten Indiens Händler zwischen Wasserbüffel, Papageien und schlagen auch Elefanten. Es ist staubig und riecht nach Dung. Mahouts, Kaufleute und Bauern streiten lautstark um die Preise. Für die Mahouts geht es dabei um die Existenz. Immerhin bringt ein ausgewachsener Elefanten 15000 Euro. Wenn sich ein Führer zum Verkauf entschließt, muss er verzweifelt sein. Meist verbringen die Männer ihr ganzes Leben mit einem Tier. Sie zähmen den Elefanten, waschen ihn, besorgen ihm Nahrung und pflegen den Koloss, wenn er krank ist. Doch selbst in den ärmeren Ländern Asien ersetzen immer öfter Maschinen die Arbeit der kräftigen Riesen. Ob im Straßenbau oder als Lastenträger - es gibt keine Jobs mehr für sie. Und die Führer werden zusammen mit ihren Elefanten arbeitslos. Dann können die Mahout die 200 Kilogramm Futter am Tag für das Tier kaum mehr bezahlen.
Im günstigsten Fall wird der Elefant an ein Touristencamp verkauft, in dem er Reisende durch die Dschungel schaukeln muss. Im schlimmsten Fall verhungert er. Oft trifft es Tiere der Holzindustrie. Tragisch: erst mussten sie jahrelang mit den Dschungel roden und haben dadurch den Lebensraum ihrer wenigen noch wild lebenden Verwandten zerstört. Jetzt sind Arbeitsplatz und Lebensraum verloren.
Die gefährlichen Konsequenzen erlebten im Dezember 2003 die Reisbauer von Phulaguri im indischen Bundesstatt Assam. Eine wilde Elefantenherde griff nachts das Dorf an. Ihr Ziel: die neuen Reisfelder, die in dem gerade gerodeten Dschungelgebiet angelegt worden waren. Innerhalb weniger Tage trampelten die Tiere einen Teil des Dorfes und der Ernte nieder. Den Bauern blieb nichts anderes übrig, als sie mit Knallkörpern und Macheten zu vertreiben. Und Phulaguri war kein Einzelfall: In den letzten 20 Jahren wurden in Indien mehr als 4000 Menschen bei solchen Vorfällen zu Tode getrampelt. Je stärker die Bevölkerung in Asien wächst, desto öfter kommt es zu solchen tödlichen Auseinandersetzungen.
Den Dickhäutern wird dabei ihr großer Bewegungsradius zum Verhängnis. Die Wandertiere legen auf ihren Wegen zu Wasser- und Futterstellen bis zu 100 Kilometer pro Tag zurück. Oft siedeln genau auf diesen Routen Bauern und haben dort ihre Felder. Die Tiere werden zur Plage. So schlägt die einst große Liebe zwischen Mensch und Elefanten immer häufiger in Hass um. Auch deswegen geht die Zahl der Elefanten in Asien stetig zurück. Während sich in Afrika die Bestände langsam erholen, könnten Elefanten in Asien in rund 50 Jahren ausgestorben sein, wenn nicht - wie bei den Wildparks in Afrika - mit Hilfe des Menschen große Schutzgebietet geschaffen werden.
Als wenig erfolgversprechend, aber dafür als sehr gefährlich gelten die Versuche, Elefanten zu züchten. Nicht ohne Grund fangen Mahout ihre Tiere meist in der Wildnis: Zuchtexemplare nehmen schnell die schlechten Eigenschaften der Menschen an. Konflikte mit ihnen enden für die Besitzer dann oft tödlich. Auf tausend Elefanten wird deshalb heute nur noch einer nachgezüchtet.
Quelle: Text aus der Stern View Ausgabe Mai 2008